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Wenn Sie einen Handwerksbetrieb gründen wollen, ist der Meistertitel eines der ersten und wichtigsten Themen, mit denen Sie sich beschäftigen müssen. Denn dieser ist in einigen Gewerken Voraussetzung für eine Existenzgründung.
In welchen Handwerksberufen Sie den Meistertitel für eine Existenzgründung benötigen und wie Sie sich im Zweifelsfall auch ohne Meisterbrief selbstständig machen können, lesen Sie im Ratgeber.
Was ist die Meisterpflicht und warum wurde sie eingeführt?
Ein Meisterabschluss soll die Qualität der Arbeit sicherstellen und die Ausbildungsleistung fördern.
Die Meisterpflicht bezeichnet die gesetzliche Regelung, dass Sie sich in einem bestimmten Handwerk nur mit einem Meistertitel selbstständig machen dürfen. Sie gilt jedoch nicht für alle Handwerksberufe, sondern vor allem in Branchen, in denen ein hohes Sicherheitsrisiko besteht, falls die Arbeit nicht fachgerecht ausgeführt wird (z. B. bei der Lebensmittelverarbeitung oder Elektroinstallation).
Die Meisterpflicht soll somit aus mangelnder Qualität resultierenden Gefahren vorbeugen und besteht darum insbesondere für Gewerke, bei deren Ausübung Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter sowie für die Umwelt entstehen können.
Ein weiterer wichtiger Begleitumstand beim Erwerb des Meistertitels: Handwerkliche Fachkräfte erwerben bei der Fortbildung zu Meisterin und Meister nicht nur ausgezeichnete fachliche, sondern auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Zudem werden sie darin geschult, zukünftig selbst auszubilden: Einen Meisterbrief erhält nur, wer eine Ausbildereignungsprüfung abgelegt und den sogenannten Ausbilderschein erworben hat. Das soll die Qualität der Lehre und der arbeitspädagogischen Kompetenzen der Meisterinnen und Meister sicherstellen.
Mit der Meisterpflicht werden also mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt:
- Qualitätssicherung der Arbeitsleistung zum Schutz von Verbrauchern und Umwelt
- Aufbau konkurrenzfähiger und wirtschaftlich erfolgreicher Betriebe
- Nachwuchsförderung durch Ausbildung von Fachkräften
Argumente für und gegen die Meisterpflicht im Handwerk
In Zeiten, in denen Fachkräftemangel herrscht und die Suche nach Auszubildenden immer schwieriger wird, sind Qualitätssicherung, Konkurrenzfähigkeit und Nachwuchsförderung wichtig für die Zukunft des Handwerks. So sehen es zumindest Befürwortende der Meisterpflicht. Dagegen kann sprechen, dass ein solcher Meisterzwang eine unnötig große Hürde für Menschen, die eine Existenz gründen wollen, darstellen kann. Auch kann die Meisterpflicht einem gesunden Wettbewerb durchaus im Wege stehen sowie wichtige Innovationen eher verhindern – beispielsweise wenn Nachwuchsfachkräfte mit einem eigenen Betrieb und neuen Ideen mehr Nachhaltigkeit im Handwerk etablieren könnten, dies aber wegen eines fehlenden Meistertitels nicht umgesetzt werden darf.
Pro | Contra |
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• Steigerung der Arbeitsqualität erhöht Schutz der Kundschaft und Wettbewerbsfähigkeit • Kenntnisse wirtschaftlicher Unternehmensführung • bessere Vergleichbarkeit der Handwerksbetriebe • Steigerung der Azubi-Zahlen und hohe Qualität der Ausbildung | • Eingriff in das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12, Grundgesetz) • Rückgang von Betriebsgründungen, da Zeit und Geld für die Fortbildung zum Meister fehlen • Zunahme des Fachkräftemangels • steigende Preise und längere Wartezeiten für Kundschaft |
Wie Sie den Meisterzwang umgehen
In einem handwerksähnlichen Gewerbe oder einem zulassungsfreien Handwerk können Sie sich jederzeit selbstständig machen. Was aber, wenn Sie einen zulassungspflichtigen Beruf ausüben? Ist der Traum vom eigenen Betrieb dann nur über die Meisterschule zu erreichen? Für diesen Fall hat der Gesetzgeber Ausnahmen festgelegt. Es gibt 5 Möglichkeiten, sich ohne eigenen Meistertitel selbstständig zu machen:
- Meister als technische Betriebsleitung einstellen
Auch wenn Ihr Gewerk eine Meisterpflicht voraussetzt: Um Ihren eigenen Betrieb zu gründen, müssen Sie nicht selbst als Meister oder Meisterin darin arbeiten. Ein einfacher Weg, dem Meisterzwang Genüge zu tun, ist es, einen Meister bzw. eine Meisterin des Fachs als technische Betriebsleitung einzustellen.
- Alternative Ausbildung absolvieren
Sie können einen „Ersatz“ zum Meistertitel erwerben: Gemäß § 7 Abs. 2 der HwO gelten beispielsweise Hoch- oder Fachschulabschlüsse in einem verwandten Feld als genügendes Äquivalent zur Meisterschule – so etwa ein Bachelor-Studienabschluss im Bereich Ingenieurswesen und Technik.
- Altgesellenregelung nutzen
Auch mit etwas Berufserfahrung können Sie den Meisterzwang umgehen – wenn Sie die sogenannte Altgesellenregelung für sich geltend machen können. Diese Regelung greift, wenn Sie nach Ihrer Gesellenprüfung mindestens sechs Jahre Berufserfahrung (vier davon in leitender Position) in Ihrem Handwerk gesammelt haben.
Um sich auf diesem Weg selbstständig zu machen, beantragen Sie mit den entsprechenden Arbeits- und Qualifikationsnachweisen eine Ausübungsberechtigung bei der Handwerkskammer. Sie ersetzt die Eintragung in die Handwerksrolle, die Meisterinnen und Meister üblicherweise zur Gründung eines eigenen Betriebs ermächtigt. - Ausnahmeregelungen prüfen
Nach § 8 HwO können Ausnahmebewilligungen zur Umgehung des Meisterzwangs erteilt werden, wenn Sie nachweislich über meisterähnliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Sie können dann einen der folgenden Ausnahmefälle geltend machen: Sie …
· haben ein fortgeschrittenes Lebensalter erreicht (etwa ab 47 Jahren)
· befinden sich in einer bestehenden unverschuldeten Arbeitslosigkeit
· haben die Chance auf eine kurzfristige Übernahme eines Betriebes
· führen besondere gesundheitliche Gründe an
· hätten eine unzumutbar lange Wartezeit bis zum Ablegen Ihrer Meisterprüfung - Ausübungsberechtigung für EU-Bürger beantragen
Als EU-Bürgerin oder -Bürger können Sie unter folgenden Bedingungen die Altgesellenregelung geltend machen. Sie haben nachweisbar:
· sechs Jahre einen eigenen Betrieb geführt oder waren als Betriebsleiter tätig
· eine dreijährige Ausbildung absolviert und dann drei Jahre einen Betrieb geführt bzw. als Betriebsleiter gearbeitet
· eine dreijährige Ausbildung absolviert und anschließend fünf Jahre in leitender Position im jeweiligen Handwerksbetrieb gearbeitet
· eine dreijährige Ausbildung absolviert und arbeiteten dann fünf Jahre unselbstständig im jeweiligen Gewerk
Die Meisterpflicht in der Vergangenheit und heute
Die Liste der meisterpflichtigen Berufe hat sich in der Vergangenheit immer wieder geändert und wird nach wie vor viel diskutiert. Schon seit dem Mittelalter bestanden Zugangsbeschränkungen ins Handwerk, die im Laufe der Zeit zurückgenommen und wieder etabliert wurden.
Die größte Veränderung gab es im Jahr 2004, als im Rahmen der Agenda 2010 die Pflicht zum Meistertitel für 53 Gewerke aufgehoben wurde. Das sollte Fachkräften im Handwerk den Weg in die Selbstständigkeit erleichtern und der damals hohen Arbeitslosigkeit entgegenwirken. 2019 hat das Bundeskabinett erneut eine Änderung beschlossen, nach der die Meisterpflicht seit 2020 für zwölf Gewerke wieder gilt.
Unterscheidung von Handwerksbetrieben
Die Handwerksordnung (HwO) unterscheidet auf Basis des üblichen Tätigkeitsprofils und einer Einschätzung möglicher Gefahren für die Kundschaft und Umwelt drei Arten von Handwerksbetrieben:
- zulassungspflichtige Gewerke
- zulassungsfreie Handwerke
- handwerksähnliche Gewerbe.
Meisterpflichtige Berufe
Diese Liste der zulassungspflichtigen Gewerke umfasst Berufe, die eine Ausbildung und intensive Berufserfahrung erfordern. Wollen Sie sich in einem solchen Handwerk selbstständig machen, sind ein Meisterbrief oder eine vergleichbare Qualifikation notwendig. In Anlage A der Handwerksordnung sind unter anderem folgende meisterpflichtige Berufsfelder festgelegt (Hinweis: Sämtliche aufgeführte Berufsbezeichnungen verstehen sich selbstverständlich inklusive Frauen im Handwerk):
A–C | Augenoptiker, Bäcker, Behälter- und Apparatebauer*, Boots- und Schiffbauer, Böttcher*, Brunnenbauer, Büchsenmacher, Chirurgiemechaniker |
D–F | Dachdecker, Drechsler (Elfenbeinschnitzer) und Holzspielzeugmacher*, Elektromaschinenbauer, Elektrotechniker, Estrichleger*, Feinwerkmechaniker, Fleischer, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger*, Friseure |
G–K | Gerüstbauer, Glasbläser und Glasapparatebauer, Glaser, Glasveredler, Informationstechniker, Installateur und Heizungsbauer, Hörakustiker, Kälteanlagenbauer, Karosserie- und Fahrzeugbauer, Konditoren, Klempner, Kraftfahrzeugtechniker |
L–O | Land- und Baumaschinenmechatroniker, Maler und Lackierer, Maurer und Betonbauer, Mechaniker für Reifen- und Vulkanisationstechnik, Metallbauer, Ofen- und Luftheizungsbauer, Orgel- und Harmoniumbauer*, Orthopädieschuhmacher, Orthopädietechniker |
P–S | Parkettleger*, Raumausstatter*, Rollladen- und Sonnenschutztechniker*, Schilder- und Lichtreklamehersteller*, Schornsteinfeger, Seiler, Steinmetzen und Steinbildhauer, Straßenbauer, Stuckateure |
T–Z | Tischler, Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer, Werkstein- und Terrazzohersteller*, Zahntechniker, Zimmerer, Zweiradmechaniker |
Eine Meisterpflicht besteht ausschließlich für zulassungspflichtige Handwerke (§ 1, Abs. 1, HwO). Wollen Sie herausfinden, ob das für Ihr Handwerk gilt, ist die Liste im Anhang der Handwerksordnung Ihre erste Anlaufstelle. Dort werden alle in Deutschland anerkannten Handwerkstätigkeiten einer der drei genannten Kategorien zugeordnet.
Berufe ohne Meisterpflicht
Die erste Gruppe der Handwerksberufe ohne Meisterpflicht bilden die zulassungsfreien Handwerke. Für die Ausübung sind eine Ausbildung und praktische Kenntnisse ebenfalls sehr wichtig. Allerdings brauchen Sie keinen Meistertitel, um einen eigenen Betrieb zu gründen, die Gewerbeanmeldung bei der Handwerkskammer reicht aus. Es steht Ihnen aber jederzeit offen, dennoch eine Meisterprüfung abzulegen; zum Beispiel, um sich gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Die zulassungsfreien Handwerke finden Sie in Anlage B, Abschnitt 1 der Handwerksordnung.
A–G | Bestatter, Bogenmacher, Brauer und Mälzer, Buchbinder, Edelsteinschleifer und -graveure, Feinoptiker, Fotografen, Galvaniseure, Gebäudereiniger, Geigenbauer, Glas- und Porzellanmaler, Graveure, Gold- und Silberschmiede |
H–K | Handzuginstrumentenmacher, Holzbildhauer, Holzblasinstrumentenmacher, Holz- und Bautenschützer (Mauerschutz und Holzimprägnierung in Gebäuden), Keramiker, Klavier- und Cembalobauer, Korb- und Flechtwerkgestalter, Kosmetiker, Kürschner |
L–O | Maßschneider, Metallbildner, Metallblasinstrumentenmacher, Metall- und Glockengießer, Modellbauer, Modisten, Müller |
P–S | Präzisionswerkzeugmechaniker, Print- und Medientechnologen (Drucker, Siebdrucker, Flexografen), Sattler und Feintäschner, Schuhmacher, Segelmacher |
T–Z | Textilgestalter (Sticker, Weber, Klöppler, Posamentierer, Stricker), Textilreiniger, Uhrmacher, Vergolder, Wachszieher, Weinküfer,Zupfinstrumentenmacher |
In der zweiten Gruppe der Berufe ohne Meisterpflicht sind die handwerksähnlichen Gewerbe. Sie umfassen alle handwerklichen Tätigkeiten, für die keine Berufsausbildung notwendig ist und die in einer Fortbildung oder durch praktische Erfahrung erlernt werden können. Laut Anlage B, Abschnitt 2 der Handwerksordnung umfasst das:
A–C | Änderungsschneider, Appreteure/Dekateure, Asphaltierer (ohne Straßenbau), Ausführung einfacher Schuhreparaturen, Bautentrocknungsgewerbe, Betonbohrer und -schneider, Bodenleger, Bügelanstalten für Herren-Oberbekleidung, Bürsten- und Pinselmacher |
D–F | Daubenhauer, Dekorationsnäher (ohne Schaufensterdekoration), Einbau von genormten Baufertigteilen (zum Beispiel Fenster, Türen, Zargen, Regale), Eisenflechter, Fahrzeugverwerter, Fleckteppichhersteller, Fleischzerleger/Ausbeiner, Fuger (im Hochbau) |
G–K | Gerber, Getränkeleitungsreiniger, Handschuhmacher, Herstellung von Drahtgestellen für Dekorationszwecke in Sonderanfertigung, Holzblockmacher, Holz-Leitermacher (Sonderanfertigung), Holzreifenmacher, Holzschindelmacher, Holzschuhmacher Innerei-Fleischer (Kuttler), Kabelverleger im Hochbau (ohne Anschlussarbeiten), Klavierstimmer, Kunststopfer |
L–O | Lampenschirmhersteller (Sonderanfertigung), Maskenbildner, Metallsägen-Schärfer, Metallschleifer und Metallpolierer, Muldenhauer |
P–S | Plisseebrenner, Rammgewerbe (Einrammen von Pfählen im Wasserbau), Requisiteure, Rohr- und Kanalreiniger, Schirmmacher, Schlagzeugmacher, Schnellreiniger, Speiseeishersteller (mit Vertrieb von Speiseeis mit üblichem Zubehör), Steindrucker, Stoffmaler |
T–Z | Tankschutzbetriebe (Korrosionsschutz von Öltanks für Feuerungsanlagen ohne chemische Verfahren), Teppichreiniger, Textil-Handdrucker, Theaterkostümnäher, Theaterplastiker, Theater- und Ausstattungsmaler |
FAQ zur Meisterpflicht
Die Meisterpflicht bezeichnet die gesetzliche Regelung, dass Sie sich in einem bestimmten Handwerk nur mit einem Meistertitel selbstständig machen dürfen. Damit sollen folgende Ziele erreicht werden:
• Qualitätssicherung der Arbeitsleistung zum Schutz von Mensch und Umwelt
• Aufbau konkurrenzfähiger und wirtschaftlich erfolgreicher Betriebe
• Nachwuchsförderung durch Ausbildung von Fachkräften
Die Handwerksordnung (HwO) legt ausschließlich für zulassungspflichtige Handwerke eine Meisterpflicht fest (§ 1, Abs. 1, HwO). Eine Liste aller meisterpflichtigen Berufe finden Sie in der Anlage A der Handwerksordnung. Sie umfasst zum Beispiel Berufe im Baugewerbe oder in der Lebensmittelindustrie, die ohne Ausbildung und intensive Berufserfahrung zu erheblichen Sicherheitsrisiken für die Kundschaft und/oder die Umwelt führen.
In einem handwerksähnlichen Gewerbe oder einem zulassungsfreien Handwerk können Sie sich jederzeit selbstständig machen. In einem zulassungspflichtigen Handwerk haben Sie folgende Möglichkeiten:
• Sie stellen einen Meister bzw. eine Meisterin als technische Betriebsleitung ein.
• Sie weisen einen Hoch- oder Fachschulabschluss in einem verwandten Feld vor (Ingenieur, Techniker).
• Sie fallen unter die sogenannte „Altgesellenregelung“, die dann greift, wenn Sie nach Ihrer Gesellenprüfung mindestens sechs Jahre Berufserfahrung (vier davon in leitender Position) in Ihrem Handwerk gesammelt haben.
Nein, denn für Betriebe der Anlage B1 gilt der Bestandsschutz. Haben Sie also nach 2004 einen zulassungsfreien Handwerksbetrieb ohne Meisterbrief gegründet, müssen Sie keine nachträgliche Prüfung ablegen und keine zusätzliche Ausbildung absolvieren.
Laut den Betriebsdaten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks hatte die Novellierung der HwO starken Einfluss auf die betrieblichen Strukturen im Handwerk. Heute sind deutliche Verschiebungen zwischen zulassungsfreien und zulassungsbeschränkten Gewerken zu verzeichnen. Zum einen sank der Anzahl der meisterpflichtigen Betriebe, während aber deren Größe generell anwuchs. Die Anzahl der zulassungsfreien Betriebe ist stark gestiegen – hierbei ist zu beobachten, dass sich ein großer Teil dieser B1-Gewerke als Kleinstunternehmen und Soloselbststände gründet. Besonders viele Anmeldungen gab und gibt es im Bereich Gebäudereinigung, Fliesen-, Platten- und Mosaikverlegung, Parkettverlegung und Raumausstattung.
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